Schumanns „Dichterliebe“ steht im Zentrum von Piotr Beczałas romantischer Liedermatinee am 20. August in Grafenegg. Nicht weniger ernst meint es der polnische Tenor jedoch mit den Werken seines Landsmanns Mieczysław Karłowicz. In Polen Kult (nicht nur wegen seines frühen tragischen Todes in den Bergen), anderswo weitgehend unbekannt – ein kurzes Porträt.
Mieczysław Karłowicz gilt als einer der bedeutendsten polnischen Komponisten der Neoromantik. Er kam am 11. Dezember 1876 in Wiszniewo zur Welt, als wohlbehüteter Sohn eines renommierten Sprachwissenschaftlers und Ethnographen. Karłowicz verbrachte die ersten sechs Jahre seines Lebens auf dem Landgut seiner Familie. 1882 wurde alles verkauft, bis auf die väterliche Büchersammlung mit viertausend Bänden. Die wissenschaftliche Arbeit des Vaters zog ihn und seine Familie zunächst für mehrere Jahre nach Heidelberg, dann auch Dresden und Prag, wo er an den Universitäten lehrte.
Die im Ausland verbrachte Kindheit ermöglichte Karłowicz das Erlernen mehrerer Fremdsprachen, aber auch den frühen Kontakt mit der westlichen zeitgenössischen Musik. In Dresden bekam Karłowicz im Alter von sieben Jahren den ersten Geigenunterricht. Als 19-jähriger zog er nach Berlin. Hier studierte er bei dem legendären Violinvirtuosen Joseph Joachim, dem Freund von Brahms und Schumann und ersten Interpreten ihrer Werke.
Alle Lieder Karłowicz´ entstanden zwischen seinem 19. und 22. Lebensjahr. Der Komponist selbst schätzte sie nicht besonders und bezeichnete sie als „Jugendsünden“. Er tat ihnen Unrecht, denn die Lieder, dank ihrer sanften Anmut und gut ins Ohr gehenden Melodien, sind bis heute unter Sängern und Musikliebhabern sehr beliebt.
Die meisten Texte für die oft melancholischen und sogar schwermütigen Lieder lieferte Kazimierz Przerwa-Tetmajer, ein für seine teils exaltierte, teils dekadente Art berühmt-berüchtigter Dichter. Was die beiden Künstler verband, war die Liebe zur Bergwelt, zur majestätischen überwältigenden Schönheit des polnischen Tatra-Gebirges. Dennoch bezieht sich keines der Lieder Karłowicz‘ auf die Faszination für die Berge. Auch in den Charakter seiner Symphonischen Dichtungen mit Titeln wie: „Ewige Lieder“ oder „Traurige Erzählung“ kann man nur vorsichtig die tonmalerische Stimmung einer Berglandschaft hineininterpretieren.
Die Berge lernte Karłowicz schon 1889 zu lieben, als 13-Jähriger, aber erst als junger Erwachsener, mit 26, beschloß er nach Zakopane zu ziehen. Diese Stadt im Süden Polens war ein bedeutender Kurort und Treffpunkt der polnischen Bohème. Als begeisterter Bersteiger und Skifahrer bestieg Karłowicz von dort aus fast alle wichtigen Gipfel der Tatra.
Als Mitbegründer und Aktivist der Tatra-Bergrettung wurde Karłowicz zu einem der Pioniere des polnischen Bergsports. Seine Bergtouren dokumentierte er in Reportagen und zahlreichen Fotografien. Der erste von ihm veröffentlichte Text berichtete über die Tour zum Gipfel Kościelec, jenem verhängnisvollen Berg, auf dessen Hängen Karłowicz´ Leben einige Jahre später sein tragisches Ende nahm. Am 8. Februar 1909 um etwa 10 Uhr morgens, mit seinem Fotoapparat im Rucksack verließ Karłowicz die Berghütte in Gasienicowa-Alm in Richtung Schwarzer See-Tal. Er kehrte nicht mehr zurück.
Dorota Krzywicka-Kaindel