Im Mai hält erneut die Kammermusik im Schloss und in der Reitschule Einzug: Die besten jungen Ensembles Europas kommen zu einer intensiven Probewoche in Grafenegg zusammen und legen dem Publikum die schönsten Werke des Kammermusik-Repertoires zu Füßen. Die Konzerte finden in Kooperation mit der European Chamber Music Academy statt (ECMA). Deren künstlerischer Leiter, Johannes Meissl, ist gleichzeitig Mitglied des Artis Quartett und Professor an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Für den Blog hat uns das berühmte Ensemble eine Aufnahme eines Werkes zur Verfügung gestellt, das am 27. Mai vom Quatour Zaïde (im Bild) gespielt wird: Beethovens op. 132 in a-Moll. Genießen Sie die Musik und lesen Sie Johannes Meissls Anmerkungen dazu.
Von Johannes Meissl
Beethovens op. 132 begleitet mich nun schon seit fast 30 Jahren als Spieler und Lehrer. Für mich ist diese unglaubliche Werk sicher eines der großartigsten Streichquartette, wenn nicht überhaupt der besten Musikstücke, die jemals komponiert wurden.
Zu Grafenegg gibt es mit dem a-Moll-Quartett für mich noch eine spezielle biographische Verbindung: bei der Aufnahme mit dem Artis Quartett in der (damals noch nicht umgebauten) Reitschule war gleichzeitig Rübenernte. Mit Hilfe der örtlichen Polizei konnten wir mühsam gewisse Zeitfenster bekommen, in denen die Traktoren Pause gemacht haben. So bekam der berühmte «Heilige Dankgesang» noch eine zusätzliche Dimension…
Am 1. Satz fasziniert mich nach wie vor die Kombination von fast barocker Kontrapunktik und Figurensprache mit einer extrem romantischen und subjektiven Emotionalität und Expressivität – das ist für mich der Inbegriff an zutiefst menschlichem rhetorischen Diskurs in der Musik:
Der 2. Satz ist für mich am besten durch ein Goethe-Wort charakterisiert: «Gestaltung, Umgestaltung – des ew’gen Sinnes ew’ge Unterhaltung». Ein Tanzsatz wird zum Kaleidoskop unendlicher musikalischer Möglichkeiten:
Jedes Mal ist die Reise durch den «Heiligen Dankgesang» ein Abenteuer voll meditativer Versenkung und gleichzeitig eine Grenzerfahrung an Intensität bis zum Zerreißen, und die Zwischenteile «Neue Kraft fühlend» sind einfach hinreißend in ihrem Gestus:
Als notwendige Unterbrechung dieses permanenten «Flying high» fungiert wohl der Marsch. Es ist jedes Mal wieder ein großer Spaß, diesen (fast) derben und grimmigen musikalischen Humor zu gestalten und zu erleben…Bevor es ins leidenschaftliche Finale geht, kommt eines der großen Rezitative der Instrumentalmusik, durchaus vergleichbar mit dem noch berühmteren aus der 9. Symphonie. Auch nur das «Dabeisein» als Begleitung ist immer ein Erlebnis:
Das leidenschaftlich wühlende Finale ist mit seinen enormen instrumentalen Schwierigkeiten und den extremen Klangkombinationen teilweise fast mit der «Großen Fuge» vergleichbar. Als wir einmal das Stück im selben Konzert mit dem 1. Streichquartett von Michael Gielen gespielt haben, sagte dieser nachher zu uns: «Beethoven ist doch noch der modernere Komponist von uns beiden!» Wenn sich dann in der Presto-Coda endlich alle Komplikationen lösen und man zum Schluss dieser großen Reise kommt, sind Ausführende und Publikum wohl redlich erschöpft, aber hoffentlich auch glücklich und um eine wichtige Erfahrung reicher:
© Die Musikdateien wurden dankenswerterweise vom Artis Quartett zur Verfügung gestellt. Das Foto des Quatour Zaïde stammt von Jeremy Sangare.
Kammmermusik in Grafenegg:
22. – 27. Mai 2018
European Chamber Music Academy
Frei zugängliche Masterclasses und drei Konzerte der besten jungen Kammermusikformationen Europas.
Tickets und Infos unter: KOSMOS KAMMERMUSIK