Große Bühne für Rafael Fingerlos: Der österreichische Bariton verkörperte im Pausenfilm des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker 2019 an der Seite von Daniela Fally den Papageno. Am 19. April singt er nun in Grafenegg die Bassarien in Johann Sebastian Bachs «Johannes-Passion» mit dem Tonkünstler-Orchester unter Andreas Spering. Der Salzburger ist Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper und regelmäßiger Gast an Häusern wie der Dresdner Semperoper. Eine zentrale Stelle nehmen in seiner künstlerischen Tätigkeit das Lied und der Konzertbereich ein.
INTERVIEW
Sie haben das Jahr 2019 als Papageno im Pausenfilm des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker begonnen, wohl ihre bisher größte Bühne. Können Sie sich der Papageno-Engagements noch erwehren?
Fingerlos: Die Reichweite und -dichte dieser einzigartigen Fernsehausstrahlung ist unglaublich. Es war eine große Ehre, für diesen Anlass ausgewählt zu werden und für ein weltweites Millionenpublikum singen zu dürfen. Die Rückmeldungen waren überwältigend, und in der Tat wurden jetzt noch mehr Opernhäuser auf mich aufmerksam. Aber Gott sei Dank gibt es nicht nur Anfragen für den Papageno – das ist zweifellos eine fantastische Rolle für mich, aber es gibt noch so viele andere Opernpartien, die mir sehr am Herzen und auch in der Kehle liegen.
Als Papageno haben Sie einen großen Aktionsradius auf der Bühne, in einem Werk wie der «Johannes-Passion» müssen Sie sich auf einen Quadratmeter beschränken. Wie können Sie musikalische Emotionen besser ausdrücken? Was entspricht Ihnen mehr?
Fingerlos: Meine ersten Schritte im professionellen Bereich durfte ich unter anderem im Liedgesang und im Konzertbereich machen. Dieser kleine, aber dann oft doch so groß scheinende Quadratmeter ist mir also sehr vertraut. Die mittlerweile zur großen Leidenschaft gewordene Bühnespielfreude hat sich dann nach und nach entwickelt. Somit ist die «Johannes-Passion» eine Art Heimkehr zum Ursprung, zum puren Gesang, zur puren Interpretation, zu meinem Handwerk. Aber auch auf der Opernbühne gilt für mich: immer wenn es um die Musik und das Singen selbst geht, entstehen die für mich persönlich kostbarsten Momente.
Können Sie sich noch an den ersten Eindruck erinnern, den Bachs Passionen auf Sie gemacht haben?
Fingerlos: Und wie! In meiner Familie haben wir diese am Karfreitag auf Schallplatte gehört. Da waren es besonders einzelne Choräle und Arien, die mich berührten. Während meines Studiums hab‘ ich Bach aufgrund seiner musikalischen und stimmlichen Herausforderungen manchmal gefürchtet. Als Sänger hat mich die ganze Kraft dieser Musik dann erstmals 2016 in der Kreuzkirche Dresden so richtig erfasst, als ich zum ersten Mal am Karfreitag die dort so wichtige, traditionelle «Matthäuspassion» interpretieren durfte und bemerkte, dass 3000 Menschen jeden einzelnen Satz mitlebten.
Wie könnte man die «Johannes-Passion» Menschen ans Herz legen, die mit religiösen Inhalten nichts anfangen können?
Fingerlos: Speziell diese Musik kann man von ihren religiösem Inhalten schwer trennen. Muss man auch gar nicht. Denn allein das Ergebnis einer Arbeit zu hören, an deren Inhalt ein Komponist mit jeder Faser seines Körpers glaubt, kann ein tief beeindruckendes Erlebnis sein.
Ungeachtet der religiösen Einstellung oder Herkunft haben wir alle schon einmal eine kleinere oder vielleicht größere Passion erlebt. Musik drückt oft aus, was Worte nicht mehr zu sagen vermögen.
Ich glaube, dass es die Aufgabe dieser und generell der Musik ist, alle Menschen zu berühren, die Spiritualität, die wir alle in uns tragen, zu nähren. Und wenn es wie in meiner Jugend nur eine einzelne Melodie, ein einzelner Choral sind, die, vielleicht nur für einen kurzen Moment, etwas Unbeschreibliches in einem selbst auslösen, dann ist schon viel passiert.
Nehmen Sie sich in der Fastenzeit bei irgendetwas bewusst zurück?
Fingerlos: Ich versuche mich ganz bewusst auf das Schöne, das Leise und das Miteinander zu fokussieren. Zeit mit Menschen zu verbringen, die mir wirklich am Herzen liegen. Meinem teilweise sehr geforderten Körper Ruhe zu gönnen und wieder Energie zu tanken. Auch geistig. Mehr Lesen, weniger Bildschirmlicht. Weniger in den sozialen Netzwerken posten. In die Natur gehen, mich bewusster ernähren. Zurücknehmen möchte ich heuer vor allem die Zeit, die ich abseits meiner Familie verbringe.
FR 19 APRIL 2019
17.00 Uhr │ Reitschule MICHAEL SCHADE «Worte und Gedanken zum Fest»
18.30 Uhr │ Auditorium Grafenegg
TONKÜNSTLER-ORCHESTER NIEDERÖSTERREICH
KATERYNA KASPER, Sopran
SOPHIE RENNERT, Mezzosopran
MARKUS SCHÄFER, Tenor (Evangelist)
PAUL SCHWEINESTER, Tenor (Arien)
THOMAS E. BAUER, Bariton (Jesus)
RAFAEL FINGERLOS, Bariton (Arien)
ARNOLD SCHOENBERG CHOR
ANDREAS SPERING, Dirigent
Johann Sebastian Bach Johannes-Passion BWV 245