Das Quatour Akilone gestaltet am 26. Mai in der Reitschule eine Matinee. Das Konzert findet ihm Rahmen der European Chamber Music Academy (ECMA) statt. Deren Leiter, Johannes Meissl, ist einer der Mentoren des jungen Quartetts aus Frankreich. Am Blog stellt er die beiden gespielten Werke von Mozart und Brahms vor, die ihn als Kammermusiker und Musikprofessor seit langem begleiten. Die persönliche Beschreibung wird flankiert durch eine Aufnahme des Artis Quartett, dessen Mitglied er ist.
Von Johannes Meissl
Trotz der vielen herrlich warmen und leuchtenden Abschnitte ist das Erste Streichquartett von Johannes Brahms eine Erzählung von Kampf, Leid und Verzweiflung. Unglaublich ist für mich immer wieder, nach mehr als 35 Jahren «intimer» Bekanntschaft mit diesem Stück, die motivische Durchdringung des ganzen Werkes bis in die kleinsten Begleitfiguren. Natürlich macht diese Kompositionsweise das klangliche Geflecht oft sehr dicht. Das ist höchst anspruchsvoll bezüglich Zusammenspiel und Klarheit!
Lebhaft erinnere ich mich an einen Ausruf des legendären, mittlerweile verstorbenen Walter Levin vom LaSalle Quartett bei einem Unterricht mit unser Artis Quartett (bei einer komplizierten Stelle mit Synkopen und Triolen übereinander): «Ihr Wiener seid Ensemblespieler à tout prix, alles fügt sich immer irgendwie, aber es muss doch auch klar durchhörbar sein!» Wir haben uns das zu Herzen genommen…
Dieses Streben nach Klarheit unter Beibehaltung romantischer Dichte und emotionaler Hingabe bleibt eine Herausforderung gerade auch für ein französisches Quartett (es ist ja noch nicht so lange her, dass Brahms, der Bismarck-Fan in Frankreichs Musikleben, voll akzeptiert ist!). Und da ist es ganz beglückend zu sehen und hören, wie die Arbeit der ECMA Früchte trägt: Die Hintergründe der jeweiligen nationalen oder regionalen Sprachen, Volksmusiken und der ästhetischen Zugänge bis zur Alltagskultur werden für die Ensembles nicht nur verständlich, sondern erlebbar gemacht.
Der erste Satz von Brahms op. 51/1 beginnt mit einem von pochenden Achtelnoten grundierten und schmerzlich auffahrenden Thema in den Geigen, das – ähnlich wie in Mozarts Einleitung! – in einem sehr fordernden «Fragezeichen» gipfelt. Nach einem Innehalten folgt ein klagendes Motiv, aus dem dann später das zweite Thema wird, das wieder heftig gesteigert wird und so fort…In der somit etablierten Spannung von Getriebenheit, versuchtem «Verschnaufen» und heftigster Dramatik entfaltet diese aufwühlende Musik ihre mitreißende Geschichte. Nach wildesten Ausbrüchen in der Coda gibt es ein fast verlöschendes und eher trügerisch positives Ende in C-Dur:
Romanze ist der zweite Satz überschrieben, und das deutet wohl darauf hin, dass Brahms auch in diesem Werk emotionale Bewältigungsarbeit geleistet hat – da kommt man zwangsläufig ins Spekulieren, ob wir wohl auch so tolle Musik hätten, wenn das Gefühls- und Liebesleben vieler großer Komponisten (und –innen) erfüllter und ausgeglichener gewesen wäre…
Wie auch immer, auf diesen mit herrlichem Singen und Seufzen wunderbar liedhaft gebauten Satz in der tröstlich-traurigen Tonart As-Dur folgt ein Intermezzo, das «zum Sich-Erschießen» fröhlich ist. Brahms hat ja (ausnahmsweise) im Fall seines Klavierquartetts op. 60 ganz offen auf Goethes «Werther» angespielt, und mir scheint jedenfalls dieses Allegretto moderato auch aus der selben Schwärze zu kommen, trotz seiner irgendwie gemütlichen Gangart. Ein Lichtblick im Mittelteil ist der stilisierte Deutsche Tanz mit dem quasi-volksmusikalischen Begleit-Bordun, der allerdings nicht im Bass, sondern auf der Dur-Terz in der zweiten Geige gespielt wird.
Mit dem Finale kehren wir wieder zurück zum Kampf, bei dem jetzt kaum etwas ausgelassen wird! Höchst anspruchsvoll ist das alles natürlich, auch instrumental und ensembletechnisch; schließlich wollen wir das inhaltliche Ringen und nicht den Kampf der Ausführenden mit den Schwierigkeiten erleben…Noch einmal geht es emotional sozusagen über Stock und Stein. Mit einem unerbittlichen «Stringendo» endet das ganze Werk mit dem noch einmal schmerzlich-fragenden Aufbäumen des Beginns und ähnlich «tödlichen» Schlussakkorden wie Schuberts Quartettsatz.
Das muss und soll uns erschüttern, auch an einem (hoffentlich) wunderschönen Maivormittag in Grafenegg! Und das kann Kunst leisten, wenn sie gelingt: wir können mit ihr und durch sie eigene Erfahrungen reflektieren und wieder erleben, und im besten Fall hilft sie uns sogar bei der Bewältigung von Problemen… Ich freue mich auf ein tolles Konzert und hoffe, dass möglichst viele dabei sein werden!
Und noch ein Tip: Das volle Erlebnispaket geballter junger Meisterschaft gibt es zusammen mit dem Best-of-Session-Konzert am Samstag!
Lesen Sie Folge 1: Mozart, Streichquartett C-Dur KV 465 «Dissonanzen-Quartett»
Foto Quatour Akilone (c) Komeda Films
Wir danken dem Artis Quartett für die Bereitstellung der Aufnahme!
INFO & TICKTES
Sonntag, 26. Mai 2019, 11 Uhr
Reitschule Grafenegg
HARALD HASLMAYR, Moderator
Johannes Brahms: Streichquartett Nr. 1 c-Moll op. 51