Gleich drei Frauen dirigieren 2020 am Wolkenturm. Eine davon, Konstantía Gourzí, ist Grafeneggs erste Frau als Composer in Residence. Mit der Uraufführung ihres Trompetenkonzerts steht sie im Zentrum der Festival-Eröffung.
Von Ariane Fiala
Es mag seltsam anmuten, dass erst in den letzten Jahrzehnten vermehrt von der „Ersten“, die eine sogenannte Männerbastion erobert hat, gesprochen wird. Die Zeiten sind vorbei, in denen Frauen nur Musen für die kreativen Schöpfungen anderer waren oder nur im häuslichen Rahmen musikalisch tätig sein durften. Denn Musik war „stets nur als Zierde, niemals [als] Grundbass des Lebens“ zu sehen, wie Abraham Mendelssohn die Absichten seiner Tochter Fanny kommentierte. Fanny Mendelssohn und Clara Schumann gehören zu den wenigen Frauen, die prominent im kollektiven Gedächtnis geblieben sind.
Vor allem der Weg für Dirigentinnen und Komponistinnen ist nach wie vor ein steiniger. Beim diesjährigen Grafenegg Festival sind mit Konstantía Gourzí, Marin Alsop und Speranza Scappucci gleich drei hochkarätige Dirigentinnen zu bewundern.
Konstantía Gourzí zählt zu den bekanntesten Komponistinnen unserer Zeit. In ihren Kompositionen ist die Verbindung zwischen unterschiedlichen Kulturen und musikalischen Traditionen ein zentrales Thema.

Konstantía Gourzí – Foto: Lukas Beck
Sie ist die erste Frau, die den Titel Composer in Residence in Grafenegg trägt. In Grafenegg ist sie nicht nur in der Rolle einer Komponistin hörbar, sondern auch als Dirigentin beim Eröffnungskonzert des Festivals zu sehen. Es ist für Gourzí nicht unüblich in der Doppelfunktion von Komponistin und Dirigentin eines Konzerts aufzutreten. Konstantía Gourzí gehört zu den wenigen Frauen, die sich in der Musikwelt durchsetzen konnten, ein Wandel ist zu erkennen oder, wie Gourzí es selbst formuliert: „Man werde sich schon daran gewöhnen, jemanden ohne Bart und mit Frauenkörper am Pult zu sehen.“
Es ist interessant, den Wandel in der Musikwelt in den unterschiedlichen Gebieten der Erde mitzuverfolgen. In den USA zum Beispiel zeichnete sich aufgrund der jüngeren Musiktradition eine frühere Feminisierung des Dirigentenberufs ab als in Europa. Einen Meilenstein konnte Marin Alsop in den USA im letzten Jahrzehnt für sich verbuchen.

Marin Alsop – Foto: Grant Leighton
Sie ist die erste Frau, die ein amerikanisches Symphonieorchester, das Baltimore Symphony Orchestra, leitet – seit der Saison 2007/08. Das Jahr 2007 ist noch gar nicht so lange her. In den letzten 13 Jahren haben sich für Marin Alsop noch weitere wichtige Karriereschritte ergeben. Als erste Frau dirigierte sie im Jahr 2013 die Londoner Last Night of the Proms und seit der Saison 2019/20 hat sie die Position der ersten Chefdirigentin des ORF Radio-Symphonieorchesters inne. Gemeinsam mit dem RSO beehrt Alsop das Festival-Publikum unter anderem mit der 3. Symphonie Es-Dur op.97 von Robert Schumann.
Marin Alsop betont immer wieder, dass es Vorbilder brauche, die Frauen in dem sehr konservativen Business eine Chance geben. Wohl auch deshalb hat sie die Stelle als erste Dozentin in der Geschichte der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien im Fach Orchesterdirigieren angenommen.
Speranza Scappucci kann ebenso auf eine international bewegte Karriere zurückblicken. Bevor sie ihre Dirigentinnenlaufbahn einschlug, war sie mehrere Jahre Solokorrepetitorin an der Wiener Staatsoper und weiteren angesehenen Musikfestivals der Welt.

Speranza Scappucci – Foto: Dario Acosta
Im Jahr 2017 ist sie die erste Frau, die den Wiener Opernball dirigierte. Auch in Grafenegg gibt sie in diesem Sommer gemeinsam mit Anna Netrebko und den Wiener Symphonikern ihr Debüt. Für Scappucci steht die Qualität des Musizierens im Vordergrund. „Wahrscheinlich wird sich die Frage, ob ein Mann oder eine Frau dirigiert, in ein paar Jahren nicht mehr stellen, denn es kommt nur auf eines an: gut zu musizieren.
Konstantía Gourzí, Marin Alsop und Speranza Scappucci, allesamt faszinierende Koryphäen auf ihrem Gebiet, zeigen, dass ein Wandel in der Musikwelt von statten gehen und Gleichberechtigung einziehen muss, um mehr Frauen die Möglichkeit zu bieten, in dieses eintreten zu können.
Die erste Frau, die unter gleichberechtigten Bedingungen auftreten und ihren Beruf ausüben kann – das sollte zur Normalität werden.
Konzerttipps:
14.8., Konstantía Gourzí
21.8., Marin Alsop
30.8., Speranza Scappucci